Bericht: Endlich Aland!

(18.03.2011) Die Tour der Jan Bart 2010

Endlich Åland!
von Norbert Kramer


Zu den Åland-Inseln wollte ich immer schon - schon zu einer Zeit, als ich nur die Stationsmeldungen aus Mariehamn über Kiel-Radio auf krächzenden 2775 KHz im Urlaub mit meinen Eltern hörte. Ein Anlauf 1993 führte 'nur' nach Stockholm. Und im Oktober ist meine rostocker Ostseezeit dank der glorreichen hiesigen 'Universität' schon wieder vorbei - jetzt also!


Da ein paar Meilen vor mir liegen, geht es gleich durch bis Christiansö. Zu Beginn grüßt ein Schweinswal – ein gutes Zeichen! Am Abend installiere ich den neu gekauften Kartenplotter, auf einem 'Werkstattschiff' (Kabel, Lüsterklemmen, Sicherungen, Stecker, Lötkolben ...) kein Pro-blem! Gegen 01:15 auf Höhe Arkona brist der Wind auf NW 5-6 auf – schön, da schläft man nicht ein, und es geht rauschend durch die dämmrige Nacht. Aber anscheinend steht noch eine alte Welle; jedenfalls gibt es richtige Kreuzseen, und es plumpsen die irrsten Kämme in die Plicht... Nach 28 Stunden sind die ersten 150 Meilen geschafft – zugegeben mit zeitweiser Maschinenunterstüzung.
Schon der nächste Schlag führt nach Schweden; Utklippan lasse ich ausnahmsweise mal links liegen – bis Sandhamn geht es noch. Dieser Hafen kommt in allen Handbüchern schlecht weg, dabei ist er sehr leicht anzulaufen und günstig; jedoch sicher kein 'Yachtie-Hafen', aber ich sehe das als Vorteil. Im Kalmarsund überprüfe ich bei ruhigen Bedingungen ohne Welle oder Abdrift und nur sehr schwachem, genau mitlaufenden Strom den Kompasswert: Der MwK stimmt anhaltend exakt mit dem GPS-Wert des Plotters überein. Apropos Plotter: Bei den Kardinaltonnen 'Södra' und 'Nörra Hossmogrund' liegt nicht nur die Schiffsposition, sondern auch der Kursstrich bei einer Zoomstufe westlich und bei einer anderen östlich der Tonnen – das ist kein GPS-Messfehler, sondern kann nur an unterschiedlichen Karten-vorlagen liegen. Derartiges habe ich immer wieder beobachtet, wobei die Abweichungen maximal bei etwa 60 m lagen. Herrliches Wetter lädt ein, an Kalmar und auch Borgholm, dem Sommersitz der schwedischen Königsfamilie, vorbeizusegeln.


In Sandvig auf Öland mache ich nur zum Schlafen fest, um 06:00 geht es weiter Richtung Gotland. Die 'Blå Jungfrun' liegt wieder beeindruckend im Nordausgang des Kalmarsunds.

Auch die große Bucht an der Nordspitze Ölands reizt mich im Vorbeifahren – da muss ich auch noch mal rein! Die Überfahrt nach Gotland ist großartig: Ordentlich Wind, ein Schrigg in der Schot, Sonne pur – was kann man mehr wollen? Die Schießgebiete unmit-telbar vor Visby stören keinen, und ich begnüge mich damit, Hörwache auf K 16 zu gehen. Der Hafen von Visby überrascht dann mit – unbeschreiblichem Partylärm. Wo bin ich denn hier wieder reingeraten? Partywoche mit einem Dutzend Millionärsyachten, eigens auf den Decks installierten Soundanlagen, unzähligen zum Beat zuckenden Körpern und viel wie auch immer gebräunter Haut.

Eine pinkfarbene Stretchlimousine bringt neue Blondinen. Gott sei Dank bleibt die phantastische Altstadt der Hanse-metropole mit ihren Stadtmauern und Kirchen hiervon fast unberührt! Der Wetterbericht verkündet für den folgenden Tag südliche Winde, die dann aber für mindestens zwei Tage auf N 5-6, später auch 6-7, zeitweise 8 drehen sollen – dies führt zu einem früheren Abschied von Gotland als geplant – aber das Wetter macht beim Segeln nun einmal die Spielregeln.
Ein 'Mitstreiter' verlässt mit Sonnenaufgang gegen 04:00 morgens kurz nach mir Visby. Zunächst geht es vorbei an einer Megayacht, die wohl im Hafen keinen Platz findet. An Deck führt sie einen Hubschrauber und eine wohl 20 m lange Segelyacht mit; nun gut... Der Weg nach Norden wird heiß – wo an Deck gibt es Schatten? Gegen 18:00 runde ich die erste Schäre vor Nynäshamn.

Der Wind hat auf West gedreht und weht jetzt genau von Land. Die kieferbewaldeten Felsen haben unheimlich viel Hitze gespeichert, und der Saunaduft, der plötzlich herüber kommt, ist unbe-schreiblich. Allein dafür hat es sich gelohnt!
Die angesagten nördlichen Winde, die tatsächlich bis NNO 7 hochgehen, lassen mich dann zwei Tage in Nynäshamn verweilen; einen davon (meinen Geburtstag) fahre ich etwa eine Stunde mit Bus und Bahn nach Stockholm. Ich kaufe dort noch eine Seekarte der Außenschären mit speziell gekennzeichneten Naturhäfen und stapse dann wie in einem Cartoon von Peyton mit Seekartenrolle durch Stadt und Museen – Segler halt...
Abends fängt es heftigst an zu regnen. Am nächsten Morgen haben Wind und Regen wieder aufgehört; dafür gibt es jetzt Nebel. Schon eine Woche intensives Arbeiten mit dem neuen Plotter lässt ein Auslaufen unter diesen Bedingungen als völlig selbst-verständlich erscheinen. Erst als mich Motor-boote passieren, die angesichts der Motoren-geräusche überaus nah sind, aber von denen auch nicht ein Schimmer erkennbar ist, wird man wieder in die nicht-elektronische Realität geholt. Zum ersten Mal seit langem gebe ich – wie die anderen auch – ganz altmodische Schallsignale. Der Nebel liegt nur knapp 10 m hoch auf dem Wasser. Darüber erkennt man manchmal Wald; einmal kommt gespenstisch eine Gaffel aus dem Dunst und zieht vorbei – sonst ist nichts zu sehen; da denkt man unwillkürlich an den 'Nebel des Grauens'... Mittags lichtet sich die Brühe, und die Sonne kommt etwas.


Abends suche ich mir ein nettes Plätzchen, nehme dabei bei tastender Maschinenfahrt einen Felsen mit (geht ja nicht ohne) und gehe schließlich in den Naturhafen unmittelbar südlich Runmarö mit dem Bug an den Fels. Bei herrlichem Sonnenuntergang gönne ich mir einen Single Malt und die erste Schärenzigarette.


Am nächsten Morgen geht es bei schwachem Südwind weiter. Insgesamt ist hier mehr los, als ich dachte – irgendwie hatte ich in meinen Vorstellungen nicht bedacht, wie nah Stockholm ist. Nicht nur unzählige Segler sind hier zur Hauptsaison unterwegs, sondern auch große Frachter, die in die Hauptstadt laufen. Ich fahre südlich Möja vorbei und nehme einen seeseitigen Weg durch loser gestreute und flache Schären in der Hoffnung auf mehr Wind infolge weniger Landabdeckung. Aber der Wind schläft schließlich ganz ein, und ab 15:15 schiebt der Volvo mich gemächlich vorwärts.
Abends gehe ich in die Bucht von Granhamn, etwa 2 sm östlich von Kapellskär. Hier ist es nicht nur traumhaft schön, der Platz hat auch Geschichte, war er doch über Jahrhunderte Warteplatz für die Schiffe von und nach Stockholm, die auf günstigen Wind warteten.

Überall gibt es Spuren dieser Zeit, und insbesondere die Felsen an den Ankerplätzen sind übersät mit Inschriften der Schiffsbesatzungen.


Nun aber Kurs Ålands! Zunächst werden die Schären karger und flacher; dann kommen wuchtige Leuchttürme auf den äußersten Schären, der letzte ist 'Tjavären'. Der eigentliche Schlag über See ist nur kurz, und infolge des intensiven Fährverkehrs braucht man weder Kompass noch Plotter. Die Anfahrt auf die Inseln und auf Mariehamn ist völlig problemlos. Malerisch liegt die alte Lotsenstation 'Kobba Klinta' zur Rechten und grüßt mit der Flagge der Ålands.

Beim Erreichen von Mariehamn bei der berühmten Viermastbark 'Pommern' wechsle auch ich die finnische gegen die åländische Flagge, welche ich zunächst provisorisch aus einer schwedischen und etwas rotem Tape hergestellt habe. Ein Liegetag in Mariehamn führt mich zunächst ins 'Inland', wo ich mir die Burg 'Kastelholmen' anschauen möchte. Der Bus fährt bis Gotby, dessen 'Zentrum' aus einer Bank, einem Supermarkt und einer Tankstelle besteht. Die Taxi-Station ist offen, aber menschenleer – man muss mit dem Telephon an der Wand erst ein Taxi rufen. Die Burg ist ein mächtiger Kasten – man wundert sich, wo Notwendigkeit und Mehrwert dafür im 14. Jh. herkamen.
Nachmittags besichtige ich die 'Pommern'. Der ehemalige 'Flying-P-Liner' der Hamburger Reederei Laeisz, der später vom Reeder Gustaf Erikson aus Mariehamn übernommen wurde, ist der einzige Großsegler, der noch im originalen Zustand, wie er als Frachter gefahren ist, existiert.

Wie weit ist doch diese Zeit ohne Antriebsmaschine und GPS weg – und wie nah ist sie doch, wenn man bedenkt, dass die 'Pommern' bis zum Ausbruch des 2. Weltkriegs Fracht gefahren hat! Das Beeindruckendste – eigentlich Unbegreifliche – ist aber, dass dieser riesige Viermaster sich mit Weizen aus Australien und Salpeter aus Südamerika durch die unwirtlichsten Breiten unseres Planeten gekämpft hat – mit einer Crew von gerade einmal 20 Mann!
Der 'point of return' ist erreicht – der Rückweg führt auf altem Kurs wieder Richtung 'Tjavären' und Granhamn, dann aber auf nördlicherer Route in den langen Sund zwischen Yxlan und Blidö, wo es anfängt, immer heftiger zu regnen.

Ich mache schließlich im Naturhafen Finnhamn an den vergleichsweise hohen Felsbuckeln fest, die bei diesem Wetter sauglatt sind. Die wenig virtuose Rutschpartie mit der Vorleine in der Hand führt zu Grinsen bei den Nachbarn – die haben das wohl gerade hinter sich...

Münchhausen müsste man sein!
Der Wind brist ordentlich aus südlichen Richtungen auf, und die nächsten Etappen werden kurz. In der Bucht südlich Runmarö, wo ich schon auf der Hinfahrt war, versuche ich, den leichten Bruce-Anker als Hauptanker zu ver-wenden, was aber aufgrund des sehr starken Bewuchses fehl-schlägt – das mag er nicht! So nutze ich ihn wieder als Heckanker und gehe an denselben Felsen, wie auf der Hinfahrt.
Am nächsten Tag motore ich gegen SSW 5-6, und auch wenn die Wellen wegen der Wassertiefe nicht so hackig wie im Bodden oder im Watt sind, ist das nichts für meinen kleinen Faltpropeller. Ich laufe nach Dalarö, wo unheimlicher Trubel herrscht mit allem, was man auf, über und unter Wasser bewegen kann. Danach geht es wieder an die Hauptroute nach Südwesten, wobei eine Insel auffällt:


Alle Bäume auf ihr sind kahl. Zuerst denke ich an Feuer, aber durch das Fernglas erkenne ich die geradezu biblische Kormoran-Plage ... Auf natürlichem Weg komplett verseucht!


Zurück in Nynäshamn gehe ich zunächst an die 'Dieselpier', um meine Kanister wieder voll zu machen, dann an meinen alten Liegeplatz – der Hafen ist deutlich leerer als auf der Hin-fahrt – und genieße abends wieder die Sauna dieses ganz ausgezeichneten Hafens.
Von hier soll es nicht wieder nach Gotland gehen, sondern in die Schären südlich Oxelösund. Es herrscht erneut dicke Suppe bei umlaufend 0-1. Den wichtigen Leuchtturm 'Landsort' erahne ich nicht einmal; biege danach blind nach WSW Richtung Arkösund, südlich an den weit vorgelagerten Untiefen vorbei. Bei endlich etwas besserer Sicht setzt Regen ein. Zwischen 11:10 und 11:20 in einem in der Karte ausgewiesenen Gebiet einer 'lokalen magnetischen Anomalie' drückt es den kompassgesteuerten elektrischen Autopiloten um satte 40° aus der Bahn! Hat Volvo hier seine Eisenvorräte gelagert? Bei der Sicht und ohne Wind wäre man da ohne Plotter kaum hintergekommen; höchstens die Richtung der alten Dünung hätte stutzig machen können. Nach 10 Stunden durch graue Suppe motoren bin ich in Arkösund, und hier gibt es für 20 € Liegegeld nicht einmal die obligatorische Sauna!
Am nächsten Tag wird die Sicht erst am späten Vormittag besser; dann geht es bei leichtem Ostwind nach Süden. Gegen 14:30 zieht es kurzeitig wieder komplett zu – gespenstisch!

Auf der Karte erkenne ich bald einen Naturhafen zwischen Armnö und Kråkmarö wieder, in dem ich schon 1993 mit meiner tapferen kleinen 'Papalagi' war, zu-sammen mit der Bremer Yacht 'Ypsilon'. Die Nostalgie packt einen, und ich mache 'Jan Bart' fast am gleichen Platz fest. Abends ist es so still, dass man kaum zu atmen wagt – herrlich! Ich trinke einen Schluck auf die Ypsilon-Crew – wo immer sie sein mag ...
Am frühen Morgen dreht der Wind auf W 4 und drückt mich Richtung Fels; aber der Bruce hält sicher. Dennoch sehe ich zu, dass ich wegkomme. Das frühe Fahren hat eindeutig den Vorteil, dass man zumindest ein paar Stunden allein ist; bei der grauen Witterung tauchen die ersten Boote erst gegen 10:00 auf. Mittags dann hat sich die Sonne durchgekämpft, und ich entschließe mich, auf Höhe Västervik auf See zu gehen und Richtung Öland zu laufen. Kaum aber habe ich die Schären hinter mir,
schläft der Wind ein. Bis Öland ist es noch weit, und dasselbe gilt für die nächsten Plätze im Süden, nicht zuletzt wegen der ausgedehnten Schutzgebiete. So gehe ich mit Maschine zurück in den urigen Fischerhafen Händelöp.

Kaum bin ich da, weht es mit SSO 4-5, gut eine Stunde später mit NNW 3 – so ein Windgedüddel habe ich schon lange nicht mehr erlebt!
Neuer Anlauf am nächsten Morgen – zwar kommt der Wind aus SO und damit von vorn, sonst aber ist das Wetter endlich wieder hochsommerlich. Beim Kreuzen spült die Ostsee die letzten Waldreste vom Deck – Abschied von den Schären! Mit Hilfe des Leuchtturmes 'Kungsgrundet', an dem ich mit Ostkurs südlich vorbeiziehe, mache ich von 11:20 bis 12:20 eine Doppelpeilung mit Ver-segelung; die Position liegt gut zwei Kabellängen südwestlich der GPS-Position – geht doch!

Abends laufe ich in die schöne Bucht Grankullaviken an der Nordspitze von Öland ein. Der dortige Gästhamn wird aber gerade nicht betrieben, und so bleibt nur eine klobige Betonpier.
Im Kalmarsund herrscht am nächsten Vormittag nur warmer, lauer Daddelwind. Erst bei Borgholm kommt ein stetigerer O 3 – das ist wohl königlicher Wind! Aus dem Königswind wird schließlich Kaiserwetter, und bei Sonne und 6,5 kn ohne jede Welle geht es bis Kalmar. Der Hafen ist sehr schön und voller Deutscher – hier stecken die alle! Dann ist schon wieder Schluss mit dem guten Wetter, und morgens läuft kaum einer aus. Aber graue Wolken hin oder her – einen NNO 5 darf man meines Erachtens nicht liegen lassen, wenn man hier im August nach Süden will. Ich mache gut Meilen, und bei Sandhamn / Torhamn gehe ich in die Schärenabkürzung nach Karlskrona. Im dortigen Handelshafen liegen Myriaden von riesigen Rohrsegmenten – das kann nur die Ostseepipeline sein! In Karlskrona liegen neben den Schweden fast nur noch Deutsche. Ich war hier aber noch nie, habe das immer mit Industrie und Sperrgebieten in Verbindung gebracht – Fehler! Die Stadt ist wirklich hübsch, Museen – wie das Marinemuseum - und Denkmäler – wie die Rosenbomfigur, die an die Bedürftigen erinnert – sind sehr beeindruckend, und es gibt wirklich so etwas wie einen – von den deutschen Ostseegestaden ja eher mal erreichbaren – Schärengarten. So bleibe ich einen weiteren Tag, auch wenn die Windvorhersagen nur noch genau für eben diesen Gutes verheißen.


Beim Auslaufen geht es dann zunächst am Marinehafen vorbei, in dem futuristisch anmutende Stealth-Schnellboote liegen.

Die Etappe führt aber nur zum besseren 'Absprungplatz' Utklippan, abends, als das Wetter sich beruhigt hat. Ich laufe nördlich um die Insel rum, um die leeseitige Osteinfahrt zu nehmen und gehe längseits einer Jeanneau 35 'One Design' – interessantes, schnelles Schiff! Wir trinken bei mir an Bord das letzte Bier, und uns wird bewusst, dass Breite und Jahreszeit es wieder richtig dunkel werden lassen!
Bei moderaten südlichen Winden geht es dann über Christiansö nach Rönne. Mittlerweile macht die Wellendichtung am Stevenrohr etwa einen Liter Wasser am Tag, wenn auch unter Maschine gefahren wird – wieder etwas für die Arbeitsliste.


Tags drauf Punkt 12:00 überquere ich die deutsche Grenze; auch DP 07 ist wieder zu empfangen, und Kurz-, Mittel- und Langwellen haben ihren guten Dienst getan. Rügen voraus liegt in dichtem Grau. Als ich den recht neuen Hafen von Glowe anlaufe, fällt mir auf, dass selbst das eine Premiere ist: Auch wenn ich schon öfter in Barhöft oder Stralsund war und auch durch den Greifswalder Bodden gefahren bin, auf Rügen selbst war das Boot noch nie. Ich habe aber nicht viel davon, da es regnet, als ob es kein Morgen gäbe. Den gibt es aber doch, und ich breche früh auf – vielleicht geht es ja durch bis Warnemünde. Nach dem Kap Arkona ist der Wind frisch, die Windfahne zeigt, was sie kann, und es rauscht – nur nicht so ganz in die richtige Richtung. Gegen 11:00 ruft die liebe Anne an – und sofort macht es buff! Plötzlich sitze ich mit praller Rettungsweste um die Backen da – ein Zeichen? Oder sollte ich einfach öfter mal die Auslösetabletten wechseln? Mittags wird der Wind weniger, und ich beschließe, nicht noch über 40 sm nach Warnemünde durchzulaufen, sondern nach Darsser Ort zu gehen, auch da war ich – aus hinlänglich bekannten Gründen – mit Schiff noch nicht.

Das Einlaufen macht in der neu gebaggerten Rinne mit der neuen Betonnung keine Probleme, der Hafen ist ein Traum, und es gibt immerhin noch einen Steg mit über 20 Heckbojen (ich hatte schon wieder meinen Heck-anker parat gelegt...). Auf der anderen Seite gibt es bis auf ein Trockenklo keinen Service, Geld wollen die auch, und jeder muss sich einen Notfall aus den Spanten saugen. Der vor mir zahlende Segler hatte Wassereinbruch durch das Bugstrahlruder. Als Einhandsegler hat man es da mit Erklärungen einfacher. Alles egal – Hauptsache, man kann rein, in den Hafen!


Da mir vor ein paar Tagen die Flaggenleine durchgescheuert ist, packe ich zum ersten Mal die vom Voreigner gebastelte Mastleiter aus. Die ist zwar nicht bequem, aber man kann sich damit helfen – und ich kann im Heimathafen wieder meine Gastflaggenparade zeigen! Abends laufe ich noch über einen teilweise aufwendig angelegten, wunderschönen Weg durch das Naturschutzgebiet zum Leuchtturm 'Darsser Ort'.
Der letzte Schlag ist grau, nass und schnell. Es schüttet wie aus Eimern, aber mit N 5 passt der Wind hervorragend – besser so als andersherum. Viel besser! Obwohl es Samstag ist, ist vor Warnemünde kaum etwas los; ich aber freue mich, dass ich fast bis vor die Haustür segeln kann. Wann wird es wieder die Möglichkeit zu so einem Törn geben?



Datenblatt



Schiff:
SY "Jan Bart", Baujahr 1978
Typ: Albin Ballad (Baunr. 1226):
Maschine: Volvo Penta MD 7A, 13 PS
Segel: Großsegel, Ersatzgroßsegel, Try-Segel, Flieger, Genua 1, 2, 2A, 3, 4, 5,
Sturmfock, Spinnacker, Spinnaker-Stagsegel
Sicherheitsausrüstung:
5 Schwimmwesten; Rettungskragen
Lifelines, Strecktaue
MOB Bake
Signalpistole, Kaliber 4; NICO-Signalgeber; Notblitz
3 Feuerlöscher; Löschdecke
Offshore-Bordapotheke, Erste-Hilfe-Kasten; Schmerzmittel
Lenzpumpe, Leckstopfen
Ersatzpinne
Radar-Reflektor
Notantenne
Treibanker
Navigationsausrüstung / technische Ausrüstung:
Windfahne 'Navik' (Plastimo)
Selbststeueranlage 'Autohelm 2000'
10 kg CQR-Anker in Bugrolle mit 33 m Kette (8 mm)
5 kg Bruce-Heckanker mit 8 m Kettenvorlauf (6 mm)
Mastleiter
Kompass; Peilkompass
Echolot; Sumlog
GPS am Bordnetz; Ersatz-GPS mit Batterien
Kartenplotter 'Standard Horizon' (Karten aus 2010)
UKW-Seefunkgerät
Wetterempfänger, Ersatzempfänger
Fernglas, Ersatzfernglas; Nachtsichtgerät
2 Handscheinwerfer
Signalflaggen, -kegel, -ball
Seekarten: DEKL Sätze 2, 4, 11, 12; N.V. Serie 6; SE 61 (2008 - 2010)
Küstenhandbuch Mecklenburg Vorpommern
H. / G. Claußen, Rund Schweden, Die Ostküste
Hafenhandbuch des DSV, Ostsee II
Jachtfunkdienst
sehr umfangreiche Ausstattung an Werkzeug und Ersatzteilen
Fahrt:
Dauer: 17. Juli - 14. August 2010: 4 Wochen
Strecke (direkte fahrbare Verbindungen): 1145 Seemeilen
Motoranteil: ca. 284 sm = 25 %
96 Stunden Maschinenlaufzeit (100 l Dieselverbrauch)
an 25 Fahrtagen ca. 1 h Motorbetrieb zum An- und Ablegen, Warm- und Nachlaufen
ca. 71 h Motorfahrt mit 4 kn (langsame Drehzahl) = ca. 284 sm
Rostock - Christiansö (150 sm) -Sandhamn (60 sm) - Sandvig (70 sm) -
Visby (70 sm) - Nynäshamn (85 sm, 3 Übernachtungen) - Runmarö (40 sm) -
Granhamn (35 sm) - Mariehamn (35 sm, 2 Übernachtungen) - Finnhamn (60 sm) -
Runmarö (15 sm) - Dalarö (15 sm) - Nynäshamn (25 sm) - Arkösund (50 sm) -
Armnö (15 sm) - Händelöp (50 sm) - Grankullaviken (35 sm) - Kalmar (55 sm) -
Karlskrona (55 sm, 2 Übernachtungen) - Utklippan (15 sm) - Christiansö (45 sm) -
Rönne (30 sm) - Glowe (55 sm) - Darsser Ort (45 sm) - Rostock (35 sm)
Kosten:
knapp 1000 €
(Seekarten 230 €, Liegegelder 310 €, Diesel 180 €, Verpflegung 100 €, sonstige Einkäufe 150 €)

 

Vielen Dank an Norbert Kramer für seine Fahrtenberichte!

Jörg für Ballad.de