Törnbericht Teil 1: Lilofee

Die Fahrt der Lilofee von Cuxhaven in das Schwarze Meer

Die Ballad (B 1153) ist ein reinrassiger Segler und auch ein gutmütiges, schnelles Tourenschiff; auf Regatten immer vorne mit dabei. Sie hat einen Tiefgang von ca. 1,60 m und einen Yanmar Diesel mit 18 PS.

Gemeinsam mit unseren Freunden von der Philomena und unserer Lilofee soll es ins Schwarze Meer gehen. Die Pilomena ist eine Sonate Ovni 36 mit Schwenkkiel 60/2,10 m Tiefgang.

Leider kann ich von keinem Segeltörn berichten, denn unsere Masten lagen für den Törn durch die Flüsse und Kanäle fest verzurrt an Deck. Eine Unmenge Karten, Handbücher, Reiseberichte und Informationen sind nötig für die sechs Donau-Anrainer-Staaten. Dank Europa gibt es aber keine Visapflicht mehr.

Nun aus dem Logbuch der Lilofee:

  1. April 2007 auf der Elbe Cuxhaven-Cityhafen Hamburg.

11.00 Uhr Leinen los. Udo fährt das 1. Teilstück bis Rünthe im Dattel-Hamm-Kanal mit. Bei achterlichem Wind um 5 – 6 Bf eine schnelle Fahrt, manchmal über 8 Knoten. Das Wasser ist sehr kalt 8° C. Einige Vereinskollegen begleiten uns auf der ersten Etappe nach Hamburg. Schon bei Otterndorf werden wir abgehängt. Wir – unter Motor – können da nicht mithalten. 19.00 Uhr Leinen fest im Cityhafen. Der Hafen ist leer, liegen längsseits an einem langen Schlengel. eine Box wäre zu kurz wegen des langen Mastes. Dann Beine vertreten und über die Reeperbahn stiefeln.

Den Grog trinken wir doch lieber an Bord, würde ein zu großes Loch in die Bordkasse reißen.

  1. April 2007 Marina Rünthe-Castrop-Rauxel

Rolf hat Udo abgelöst. Er wird uns bis Wien begleiten. Nach dem Frühstück kauft er noch ein paar Lebensmittel im Supermarkt ein und übernimmt den Proviantmeister.

Die Philomena mit Birgit, Hans-Werner und Bordhund Amigo sind auch startklar. Um 13.00 Uhr legen wir ab. 30 km bis zur Marina Castrop-Rauxel. Abendessen in der Seglermesse mit Bratkartoffeln und Brathering, im TV läuft das Fußballspiel Frankfurt gegen Nürnberg.

Rolf ist Frankfurter und ein wenig enttäuscht, denn sein Verein verliert 0 : 4. Wir spülen die Niederlage mit einem Pils runter.

  1. April 2007 St. Goar-Rüdesheim

32 km sind es bis Rüdesheim. An einem Pegel sehe ich, dass das Wasser um 20 cm gefallen ist. Für uns ein gutes Zeichen. Auch der Hafenmeister macht uns Mut, die Strömung sei nicht zu stark. Die schwierigste Stelle ist Asmannshausen. Der Motor läuft mit 2.600 Umdr./min. Höchstleistung.

Die Fußgänger am Ufer sind schneller. Ein Polizeiboot überholt uns, winkt und beobachtet uns genau. Über Funk hören wir: „Ist denn die Lilofee aus Cuxhaven schon durch?“ Neben uns läuft ein Schlepper. Wenn wir jetzt winken, würde es sehr teuer. Vor Bingen wird es noch mal zäh. Aber der kleine Yanmar mit seinen 18 PS kämpft sich durch. Ankunft in Rüdesheim um 17.30 Uhr.

Im „Graf von Rüdesheim“ trinken wir ein paar Gläser „Rauhenthaler Steinmächer“ - bei toller Life-Musik. Angeschwipst verlassen wir die Drosselgasse und fallen spät in die Koje.

  1. Mai 2007 Krems – Wien

Ganz toll sitzen wir beim Heurigen wie in einem Adlernest, schauen über die Donau und trinken „Grünen Feltiner“. Ein schöner Abschied für Rolf. Morgen steigt Ulla ein. In der Donau bei Wien quaken die Frösche, Natur pur! Wir liegen im Kudielauhafen. In die Stadt kommt man ganz einfach mit Bus und U-Bahn. Den ganzen Tag halten wir uns in Wien auf. Eine schöne Aussicht aus dem 7. Stock im Sky-Cafe, trinken einen „Braunen“, Ulla mit Apfeltorte und beim Sacher die Torte mit Schlagobers. Auf dem Naschmarkt gönnen wir uns Fischbrötchen und beim Tresnieki die „Besten Brötchen“ der Welt. In Wien bleiben wir 2 Hafentage.

  1. Mai 2007 Bratislawa – Esztergon

Heute Morgen hat uns ein Kuckuck geweckt. Wir liegen in einem Nebenarm der Donau, ein kleines Paradies. Um 11.00 Uhr endlich die Leinen los. Es geht durch einen 36 km langen Kanal: eine Glanzleistung der Slowaken. Bei km 8 in eine Schleuse mit 20m Fallhöhe. Ein Riesenmonster mit modernen Schwimmpollern. Bei Esztergon müssen wir Aus- und Einklarieren. Schwer zu finden. An der Straßenbrücke über die Donau klappt es dann ganz unproblematisch. Wir müssen allerdings mit den Pässen die Böschung hochkrabbeln und über einen Zaun steigen. Nun sind wir in Ungarn!

  1. Juni 2007 Budapest – Hafentag

Der Yachthafen in Budapest liegt gleich hinter der Kettenbrücke. Sehr flach. Hatten 3mal Grundberührung und können nicht einlaufen. Der Hafenmeister winkt uns an einen Steg außerhalb der Anlage. Mit der Straßenbahn nur 3 Stationen zur Kettenbrücke. Gewaltige Mauern und ein toller Blick von oben aus der Altstadt. Ganz nah am Liegeplatz ein großer PLUS-Supermarkt. Wir kaufen ein und laden die Lilofee randvoll. Noch ein Tipp: Vorratswirtschaft ist hier auf der Donau für Trinkwasser, Diesel und Proviant ganz wichtig.

  1. Juni 2007 Novisad – Belgrad

Heute Morgen sind wir ganz schnell aus Novisad verschwunden. Kurz nach 7.00 Uhr wurde ein Schiff aus dem Hafen geschleppt. Ich sah nur noch, wie der Anhang 10 cm an der Lilofee vorbei schrammte. Der hätte uns fast versenkt. 1 Std. später sollte ein 2. Schiff geschleppt werden. Wir müssen Platz machen. Also Leinen los.

Der Krieg hat hier viele Narben hinterlassen. Die zerbombten Brücken werden abgerissen. Es liegen aber auch schon die ersten Kreuzfahrtschiffe hier. Unterwegs treffen wir auf die Theis. 1000 km ist der Fluss lang. An der Mündung steht ein Leuchtturm. Noch 20 km bis Belgrad. Kurz vor Belgrad laufen wir in einen Nebenarm, finden bei einem Segelclub Platz. Nette Leute sind das hier. Hafengeld mit Wasser und Strom 10 Euro. Es ergeben sich nette Gespräche mit ein paar Einheimischen, die in Deutschland bzw. Österreich gearbeitet haben. Sie erzählen von großen Schwierigkeiten. Hier in Serbien gibt es viele Völker, Gruppen und Religionen: 3 Serben, 4 Meinungen und viel Neid. Es wird wohl noch eine Generation dauern bis Friede einkehrt. Der Anfang ist gemacht.

  1. Juni 2007 Orsova Rumänien

Diese Ankerbucht am Fluss Bistrita soll die Schönste auf der gesamten Donau sein. Als wir morgens aufwachen – dicke Nebelschwaden, riesige Schluchten, es sieht grandios aus.

Bei km 954 in Orsowa klarieren wir ein. Der Agent am Steiger bekommt 6 Euro für's Anlegen pro Schiff und Stunde. Heute wollen wir unbedingt noch durch das „Eiserne Tor“. Das ist eine riesige Anlage mit je 2 Kammern auf der serbischen und auf der rumänischen Seite. Wir schleusen auf der Serbischen. Nach 3 Stunden Wartezeit dürfen wir hinter einem Konvoi einlaufen. Die Donau wird immer breiter. Häuser auf beiden Seiten wie vor 100 Jahren. Schafe und Kühe werden gehütet. Frauen waschen die Wäsche auf beiden Seiten in der Donau. In einem Nebenarm bei der Insel Girla Mare (km 837) ankern wir. Fast 2 Knoten Strom läuft hier. Wir verlegen noch einmal den Ankerplatz. Der gleiche Strom von 2 Knoten, aber nun auf 4 Meter Wassertiefe. Wollen hoffen, dass der Anker hält für die Nacht.

  1. Juni 2007 Port Cernavoda – Konstanza

Auf den letzten 100 km der Donau wird die Landschaft immer schöner. Sandbänke – und nun sehen wir auch die ersten Pelikane, eine ganze Kolonie von ca. 30 Stück. Auch ein paar bunte Eisvögel bekommen wir zu Gesicht. In den Dörfern Eselkarren. Eine Zigeunerfamilie sitzt an der Böschung und angelt. Sogar eine alte Oma hält die Angel, im Mund eine qualmende Pfeife. Im Hafen Cernavoda laufen wir einen Steiger an. Sollen für die Nacht 75 Euro pro Boot bezahlen. Wir legen wieder ab und dürfen an dem Anleger vor der Schleuse Konstanza festmachen. Wir werden aber gewarnt vor „Rabauken“. Auch hier lungert ein selbst ernannter Agent herum.

Kinder baden, betteln und werfen mit Steinen. Die Polizei ist da! Viel Respekt haben die Kinder nicht. Nun kommt noch ein Lotse und bietet seine Dienste an, telefoniert wichtig herum. Er ist ein Spitzbube.

Durch Zufall erfahren wir von einem Motorboot mit 3 Serben, die auch durch die Schleuse nach Konstanza wollen; Lotsenpflicht besteht nur für Schiffe über 15 Meter. Die Serben fragen: „War es in unserem Land auch so schlimm?“ Nein, in Serbien waren Behörden und Menschen netter.

  1. Juni 2007 Konstanza Port Tanis

Um 11.15 Uhr dürfen wir 3 Schiffe hinter einem Konvoi in die Schleuse einlaufen. Der Schleusenmeister kommt angerannt. Wie viel PS haben die Schiffe? Wir geben die Zahlen durch und müssen lachen, weil wir in der Frage wirklich keinen Sinn sehen. 65 km lang ist der Kanal. Kurz vor Konstanza erhalten wir über Funk die ersten Instruktionen: Sollen rechts vor der Schleuse mit Geld und Ausweisen zum Leitstand kommen. Für ein 9m Boot bezahle ich 383 Lei = 120 Euro. Ein stolzer Preis! Die Polizei kontrolliert die Pässe. Nun müssen wir 4 Stunden auf die nächste Schleusung warten. Endlich – um 22.00 Uhr sind wir durch. Ein riesengroßer Hafen, alles dunkel und wir ohne Karten, aber es liegen sogar Tonnen aus. Wir irren im Hafen umher, finden aber schließlich doch die Ausfahrt.

Wir sind im Schwarzen Meer.

Nun noch 10 sm bis in den Yachthafen Port Tommis. Endlich – um 1.30 Uhr sind die Leinen fest. Nochmals eine Pass- und Personenkontrolle mit Crewliste. In der Koje liegen wir um 2.30 Uhr! Ein harter Tag!

Hans Werner Strothmann

SY „LILOFEE“